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Didaktische Herausforderungen für die Erwachsenbildung zu Beginn eines neuen Zeitalters

Anwendungs-Definitionen der Begriffe Didaktik und Andragogik. Wichtige Bedingungen und Erfolgsprinzipien der Erwachsenenbildung zu Beginn eines neuen Zeitalters werden begründet und neu priorisiert.

Der Schwerpunkt des lebenslangen Lernens verschiebt sich immer mehr auf erwachsene Lebensalter. Äußere Anstöße (Lehre) sollen das Lernen Erwachsener ermutigen, anspornen, bestärken, lenken usw.

Didaktik gilt allgemein als die Wissenschaft vom Lernen und Lehren.
Auch wird häufig dafür das Begriffspaar Didaktik/Methodik verwendet, um das grundlegende „Was-und-Wie“ von Lern- und Lehrprozessen, bzw. insbesondere deren Lenkung und bewusste, zielgerichtete Ausgestaltung zu erkennen.

Für die Lern- und Lehrprozesse Erwachsener benutze ich den Begriff Andragogik.
Zu Beginn eines neuen Zeitalters ist notwendig vor allem initiative Andragogik.

Was charakterisiert initiative Andragogik? Welches sind die wichtigsten, zu priorisierenden Herausforderungen, die unterscheidenden didaktischen Prinzipien für die Erwachsenenbildung zu Beginn des IT-Zeitalters?

Initiative Andragogik braucht wertschätzende Integration. Das betrifft die gesamte gesellschaftliche Ebene, wie auch alle sozialen Organisationseinheiten.
Lernen und Lehren Erwachsener wird in der „öffentlichen Meinung“ der Gegenwart noch viel zu häufig assoziiert mit Defizitausgleich, Fehlervermeidung oder Beschäftigungsmaßnahme. Die für ein neues Zeitalter notwendige massenhafte Innovationskraft, den Mut dazu und die entsprechenden Ergebnisse erreichen wir dadurch nicht.
Sowohl in der Akzeptanz, wie auch in der Praxis, muss Bildung und Weiterbildung wertvoller werden. Sie sollte in erster Linie als Bereicherung des Lebens und der Welt gesehen werden – das ist die Atmosphäre, die wir in jedem sozialen Umkreis brauchen.

Initiative Andragogik braucht systematische Klarheit. Hier wird vor allem die fachlich-inhaltliche Ebene des Erwachsenenlehrens angesprochen. Lernen und Lehren mit und im System, wobei die entsprechende Nutzens-orientierte Systematisierung und evtl. Vereinfachung der darzubietenden Inhalte aus Effektivitätsgründen meist durch Lehrende übernommen werden. Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung der Lehrenden, neben der Systematik und der vereinfachenden Klarheit auch die für das Lernziel notwendige fachliche Breite der Inhalte einzubeziehen.

Initiative Andragogik braucht mehrdimensionale Flexibilität. Auf der methodischen, bzw. fachlich-interpersonellen Ebene gesehenen, ist es ein weiteres Qualitätsmerkmal erfolgreicher, zeitgemäßer Andragogik. Dazu gehören inhaltliche Variabilität und methodische Flexibilität, die persönlich und situationsbezogen realisiert und u. U. geändert werden. Das wiederum setzt ein hohes fachliches wie methodisches Können und eine gute Menschenkenntnis seitens der Lehrenden voraus.

Initiative Andragogik braucht respektvolle Reflexion. Hier, auf der persönlich-zwischenmenschlichen Ebene zeigen sich Charakter und Ergebnisse des Lernprozesses als „klassische“ Einbahnstraße (was in manchen Situationen sicher nach wie vor sinnvoll ist), oder als sich gegenseitig bereichernder, innovativer Prozess mit teilweise vorher unbekannten Ergebnisformen. Respektvolle Reflexion heißt in diesem Sinne: Hochachtung vor jeder Persönlichkeit, aktives Zuhören, alterozentrierte Kommunikation und konstruktive Diskussion. Dadurch wird echte Zusammenarbeit mit messbaren Ergebnissen ermöglicht.

Initiative Andragogik braucht offensive Begleitung. In erster Linie betrifft diese Forderung die soziale Ebene, kulminiert dort. Um Lernende von Aufwandsfaktoren zu entlasten, um Wissen und Forschungsergebnisse zu systematisieren und zu priorisieren, um kooperatives, innovatives Lernen und Lehren zu ermöglichen und vorbildhaft zu gestalten – dazu bedarf es einer verantwortungsvollen, offensiven Führungsarbeit. „Führung“ wird hier ebenso gesehen als verändert, sich wandelnd. Festgelegte Rollen-Modelle weichen auf, Aktivitätsanstöße von verschiedenen Akteuren und begleitende Moderation gewinnen immer mehr Gewicht für das Lernen und Lehren.
Erreicht werden müssen damit nicht nur ein Mithalten mit den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen zu Beginn eines neuen Zeitalters, sondern auch deren Forcierung, die aktive Trägerschaft dieser Prozesse durch Förderung von Pioniertum und allgemeinem Veränderungswillen.

 

Didaktik und Methodik klar trennen

Um Didaktik und Methodik zu unterscheiden, hilft eine kleine Metapher: In einem Gewebe sorgen die Kettfäden für Stabilität und Länge – im Lern- und Lehrprozess die didaktischen Prinzipien für Wirksamkeit und Kontinuität. Die einzelnen Methoden verknüpfen und stabilisieren die „Kettfäden“, die didaktischen Prinzipien, sind aber selbst schnell und flexibel – wie die Schussfäden dank der beweglichen Schiffchen am Webstuhl.
Die Gesamtheit aller die stofflichen Inhalte und didaktischen Prinzipen verbindenden Methoden wird als Methodik bezeichnet.

Wichtig ist die klare Unterscheidung zwischen den Stabilität tragenden, langfristig wirksamen didaktischen Prinzipien und den flexiblen, unter Umständen schnell wechselnden, aber Aufmerksamkeit erzeugenden, bunten Methoden.
So begegnet man in der Gegenwart oft genug der gedanklichen Gleichsetzung von „IT-Zeitalter“ mit „neuen Medien“ und „eLearning-Methoden“. Solch eine reduzierte Sichtweise verhindert ein Weiterdenken auf allen sozialen Ebenen und die Einsicht in die dringend notwendigen zukunftsorientierenden Veränderungen auch für Lern- und Lernprozesse.

 

Sicher verlieren andere, bereits seit vielen Jahren angewandte, humanistische Didaktik-Prinzipien auch in der Erwachsenen-Bildung der Zukunft nichts in ihrer Wertigkeit und Bedeutung.
An dieser Stelle kam es mir an auf die, nach meinem gegenwärtigen Erkenntnisstand, wichtigsten, sich in einem neuen Wissenszeitalter unterscheidenden didaktischen Herausforderungen und Merkmale für den Erfolg „Lebenslangen Lernens“. Es sind die Prinzipien der wertschätzenden Integration, der systematischen Klarheit, der mehrdimensionalen Flexibilität, der respektvollen Reflexion und der offensiven Begleitung.

Zur Vorbereitung, Realisierung und Weiterführung von Erwachsenen-Qualifizierung sind Gesamtentwicklungstendenzen, soziale, individuelle, ökonomische, fachliche und methodische Aspekte zu erkennen, zu gewichten und entsprechend einzubeziehen.
Auf welche Art und Weise bzw. in welchen Schritten das erfolgen kann und welche Konsequenzen sich daraus für Konzeption und Praxis der betrieblichen oder beruflichen Weiterbildung ergeben, ist ein weiterer Fragekomplex, der an anderer Stelle erörtert werden sollte.

Lernen und Lehren für alle Generationen im anstehenden Wissenszeitalter

Warum wir uns zu Beginn eines neuen, „digitalen“, oder auch „Wissenszeitalters“ grundlegend und anders mit dem Lernen und Lehren für alle Generationen auseinandersetzen sollten und welche Fragen sich u.a. dabei stellen.

Sich mit dem menschlichen Lernen zu Beginn des „Digitalen Zeitalters“ zu beschäftigen, hat viele Gründe – genannt seien hier drei:
Das Lernen selbst spielt für die überwiegende Masse der Menschen allenfalls eine Rolle in den ersten Lebensjahren: es reichten bisher Schul- und (allenfalls) Berufsausbildung.
Viele Wissenschaften konzentrieren sich seit Ende des 20. Jahrhunderts auf qualitativ und quantitativ neue Aspekte zur Entschlüsselung des menschlichen Lebens, der Entwicklung des Menschen und der Menschheit. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind Basis für immer neue Fragen – und wir stehen damit erst weit am Anfang.
Für das anstehende digitale Zeitalter erwarten wir eine breite Automatisierung (bisher) geistiger Arbeit. Sowohl die Vorbereitung und die Gestaltung dieser Automatisierungen, wie auch die Neuordnungen der Rolle menschlicher Arbeit und der Menschen im Fortschrittsprozess selbst – erfordern für sehr viele Menschen in allen Lebenssituationen ständig verändertes Denken und Verhalten.
Die Zeit ist längst reif, sich neu und aktiv in Theorie und Praxis mit dem Lernen (und Lehren) zu beschäftigen.

Drei Fragen will ich dazu beantworten:
I. Was charakterisiert das Lernen im digitalen Zeitalter?
II. Lernen Erwachsene anders?
III. Welche didaktischen Prinzipien sind wichtig für die Erwachsenenbildung zu Beginn eines neuen Wissenszeitalters?